Wie kommt es, dass ein gut ausgebildeter Schweizer Chirurg sich in Peru um die Ärmsten kümmert? SMG-Mitarbeiter Lukas Steffen erzählt uns im Interview seinen Weg in die Mission und verrät unter anderem, dass ihn der Verzicht immer wieder herausfordert.
Video: Arte-Reportage über die Arbeit von Steffens
Kannst du dich an deine erste «richtige» Operation erinnern?
Jede Operation ist eine «richtige» Operation, auch als junger Assistenzarzt trägt man beim Assistieren bereits eine gewisse Verantwortung. Klar ist es dann ein anderes Gefühl, wenn man als frisch diplomierter Facharzt allein für einen schwierigeren Eingriff verantwortlich ist. An einen spezifischen Fall kann ich mich jetzt nicht erinnern, aber an das Gefühl: Ich würde es als Herausforderung, begleitet von leichten Magenkrämpfen, beschreiben.
Weshalb bist du Chirurg geworden?
Im dritten Studienjahr führte ich ein Interview mit einem Spitaldirektor, der früher als Arzt in christlichen Missionsprojekten rund um die Welt mitgearbeitet hatte. Ich fragte ihn, welcher Facharzttitel sich am besten für ein Entwicklungsland eignet. Er meinte, ein breit ausgebildeter Allgemeinchirurg. Denn die Chirurgie kann ein Problem ganz pragmatisch «herausschneiden» und ist meist nicht auf langfristige Behandlungen mit Medikamenten angewiesen, was in Entwicklungsländern oft schwierig ist. Deshalb bin ich Chirurg geworden.
Wie schwer ist es für dich, auf den guten Status und Lohn in der Schweiz zu verzichten und stattdessen auf Spendenbasis im abgelegenen Hochland von Peru zu arbeiten?
Ich bin ganz ehrlich und gebe zu, dass dies für mich immer wieder eine Herausforderung darstellt. Wir leben hier in einer der ärmsten Regionen Perus. Auch wenn wir als westliche Ausländer gegenüber den meisten Peruanern reich sind, verzichten wir auf vieles. Da hilft mir der Bibelvers aus Römer 12,1 mit dem Ausspruch, dass unser Leben ein «lebendiges Opfer» für Gott sein soll. Dies bedeutet für mich, dass wir als Christen immer wieder Dinge in unserem Leben aufgeben sollen. Und so erscheint es mir doch immer wieder ein Privileg, Gott in einer solchen Art hier dienen zu dürfen.
Wie hast du den Ruf in die Mission gehört?
Als ich mich nach meinen von Rebellion und Drogenexzessen geprägten Jugendjahren zu Christus bekehrt hatte, wurde mir klar, dass Gott mich dazu berief, dem menschlichen Leid in dieser Welt zu begegnen: Entweder als Prediger oder als Missionsarzt. Mein Entscheid für das Letztere war vielleicht auch davon beeinflusst, dass ich meine Mutter sehr eng durch ihre Krebserkrankung bis zum Sterbebett begleitet hatte. Als ich Claudia, meine Frau, kennenlernte, verband uns von Anfang an ein sehr klarer Ruf in die Mission, speziell zum Dienst an den Armen.
Claudia und du leben nun mit euren zwei kleinen Kindern in der peruanischen Andenstadt Curahuasi. Wie kam es dazu?
Während eines Praktikums in Kolumbien im Jahr 2011 schenkte mir dort ein Schweizer Missionar das Buch «Ich habe Gott gesehen» von Klaus-Dieter John. Er ist der Gründer des Missionsspitals Diospi Suyana in Curahuasi, wo wir heute arbeiten. In zwei Nächten verschlang ich das Buch und meldete mich sogleich bei Dr. John. Einen Monat später konnte ich einen Praktikumseinsatz bei Diospi Suyana machen und war begeistert von dem Werk. Als Claudia und ich 2015 hierhin kamen, wussten wir, dass wir hier für längere Zeit mitarbeiten wollten.
Ihr seid nun zwei Jahre dort. Claudia arbeitet als Lehrerin und du als Chirurg. Was hat diese Zeit mit euch persönlich gemacht?
Wir sind sicher ein Stück reifer geworden im Hinblick auf unseren Glauben, aber auch als Ehepaar und natürlich auch in der Arbeit. Wir erleben immer wieder, dass wir jederzeit fest mit Gott rechnen dürfen. Dies gibt uns Frieden und auch Zuversicht für die Zukunft. Wie schon erwähnt, ist es einfach ein Privileg, dass wir mit unseren Gaben Gott und den Menschen hier dienen können.
Was ist denn eure Motivation, den indigenen Quechuas tagtäglich zu dienen?
Kürzlich habe ich einen älteren Quechua-Mann notfallmässig wegen eines eingeklemmten Leistenbruchs mit beinahe abgestorbenem Darm operiert. Beim Austritt und bei Nachkontrollen fiel er mir aus Dankbarkeit weinend um den Hals. Wir hatten ihm einen Grossteil der Behandlungskosten erlassen, da er kein Geld hatte. Diese Dankbarkeit und das Wissen, dass er in einem lokalen Spital nicht behandelt wurde, gibt mir persönlich viel Motivation.
Wird im Diospi Suyana auch das Evangelium verkündet, und sind die Quechuas offen dafür?
Ja, die Leute sind grundsätzlich offen. Jeden Morgen ist die Spitalkappelle, die sich direkt neben dem Wartesaal befindet, gut gefüllt. Immer wieder melden sich Leute, die ihr Leben Jesus übergeben möchten. Für weiterführende Jüngerschaft verweisen wir dann auf die lokalen Gemeinden.
Claudia begleitet auch ein paar Frauen aus dem Dorf hier und erfährt dabei oft traurige Geschichten von Missbrauch und Gewalt. Gerade diese tief verletzten Menschen erleben in Jesus Heilung und Veränderung. Claudia möchte diese Art von Arbeit gerne ausbauen und dazu ein Lokal mieten, um sich mit diesen Frauen zu treffen und christliche Literatur abzugeben. Es stehen bereits kistenweise Bücher bei uns im Haus bereit.
Dann wünschen wir Claudia gutes Gelingen bei diesem Projekt – und euch als Familie Gottes Segen für euren wertvollen Dienst in Peru. Vielen Dank für das Gespräch, Lukas.