Die Anreise zur Universität dauerte fünf Tage. Die ersten drei Tage waren Amira, Salma und Zahara auf holprigen Strassen mit dem Motorrad unterwegs; von den Nubabergen des Sudan, bis in die Grenzstadt Yida im Südsudan. Sie waren noch nie so weit gereist. Es war ein Abenteuer und eine Chance zugleich. Sie bestiegen zum ersten Mal ein Flugzeug, das sie in die Hauptstadt des Südsudans brachte.
Am nächsten Tag ging es weiter, nochmals per Flugzeug bis nach Yei, wo die Emmanuel Christian University Studiengänge anbietet. Eigentlich war es ungewöhnlich, dass sie die Möglichkeit für ein Studium hatten. Die jungen Frauen in ihrem Dorf heiraten normalerweise schon vor dem Abschluss der 12. Klasse. Wie kam es dazu?
Seit 2011 bin ich in der Lehrerausbildung in Yei im Südsudan tätig. Damals reiste ich für einen zweijährigen Einsatz aus. Daraus wurden zehn Jahre Vollzeit-Mitarbeit an der Emmanuel Christian University. In meiner ersten Studentengruppe war Hassan. Er stammt ursprünglich aus den Nubabergen, hatte seine Sekundarschulausbildung aber in eine Flüchtlingslager in Kenia absolviert. Er erhielt ein Stipendium, um die Lehrerausbildung in Yei zu machen. Während seiner Zeit am College erwarb er nicht nur akademisches Wissen, sondern hatte auch Gelegenheit, seine Leiterfähigkeiten zu schulen und den Glauben an Jesus zu vertiefen. Er entwickelte den Wunsch, in seiner Heimat einen positiven Einfluss auf den Bildungssektor auszuüben.
Die Schulsituation in den Nubabergen ist schwierig. Wenn es eine Dorfschule gibt, ist sie schlecht ausgerüstet und es mangelt an Lehrpersonen, da diese oftmals kaum entlöhnt werden können. Die Klassen sind gross und die Kinder lernen auf Englisch, was für sie eine Fremdsprache ist. Durch die jahrelangen Konflikte in der Gegend wachsen viele in den Flüchtlingslagern auf. Da die Schulbildung in den Flüchtlingslagern umsonst ist, werden die meisten Kinder spätestens für die Sekundarschule dorthin geschickt.
Es gibt verschiedene Organisationen und Initiativen, die die Bildungssituation in den Nubabergen verbessern wollen. Diese Bemühungen machen aber nur langsam Fortschritte. Die Emmanuel Christian University hat in den vergangenen 10 Jahren viele Lehrpersonen aus den Nubabergen ausgebildet. Anstatt die StudentInnen nach Yei zu holen, brachten wir die Ausbildung zu ihnen. Viele der AbsolventInnen unterrichten nun an den Schulen in den Flüchtlingslagern, denn dort werden sie von NGOs bezahlt. Geschätzt die Hälfte kehrte wieder in die Heimat zurück und macht dort einen Unterschied für die Kinder in den abgelegenen Dörfern.
Auch Hassan hat ein paar Jahre im Flüchtlingslager in Pamir unterrichtet. Dort sammelte er wertvolle Erfahrungen, erst als Klassenlehrer und später als Schulleiter. Er heiratete Kaka Intessar, und zusammen haben sie inzwischen drei Kinder. Vor vier Jahren wurde er vom Bildungsministerium angefragt, ob er eine Sekundarschule im mehrheitlich muslimischen Teil der Nubaberge übernehmen würde. Er sagte zu, und traf an der ihm zugewiesenen Sekundarschule auf Amira, Salma und Zahara. Er setzte sich stark dafür ein, dass auch Mädchen nach der Primarschule ihre Schulbildung weiterverfolgen können. Im November 2023 reiste er mit der Abschlussklasse drei Tage auf holprigen Strassen nach Yida, damit die Schülerinnen und Schüler die nationalen Abschlussprüfungen machen konnten.
Gleichzeitig war damals auch ich in Yida. Da traf ich auf Hassan und eine ganze Anzahl anderer Absolventen unserer Lehrerausbildung. Es war ein freudiges Wiedersehen. Hassan sprach mich auf die Situation seiner drei Schülerinnen an. Wir vereinbarten eine Zusammenarbeit, die es den drei jungen Frauen ermöglicht, in Yei zu studieren.
So besuchen sie nun die Emmanuel Christian University. Zahara sagt: «Bereits in meinem ersten Semester habe ich viel gelernt. Ich möchte mein Bestes geben, damit ich dann ein Vorbild für andere Frauen in meiner Heimat sein kann.» Obwohl sie weit weg von ihren Familien sind, freuen sie sich jeweils, wenn «Mama Simone» nach Yei kommt. Dass sie Musliminnen sind, stört niemanden. Im Gegenteil, wir hoffen, dass sie während ihres Studiums die gute Nachricht von der Erlösung durch Jesus erfahren dürfen.
Seit 2011 ist Simone Illi mit der SMG bei der Partnerorganisation «Pioneers» in der Lehrerausbildung an der Emmanuel Christian University im Einsatz. Seit 2023 wirkt Simone zusätzlich als Regionalleiterin für Pioneers International in Ostafrika.
Die Emmanuel Christian University bietet folgende Abschlüsse an: Theologie, Business Administration, Education und Leadership.